Ich war in diesem Jahr – bei meinem zweiten WGT-Besuch – nicht mehr so schockiert wegen der Möchtegerns und Geschmacklosigkeiten, die zum WGT durch Leipzigs Straßen schlendern. Ich wusste ja schon, was mich erwartet, und habe das Augenmerk auf diejenigen gerichtet, die meiner Meinung nach zum WGT gekommen sind, weil es IHR Treffen ist. Besonders am Freitag und am Montag waren davon viele zu sehen, während das Wochenende teilweise durch Fotografen und die dazugehörigen Poser grenzwertig war. Ich möchte keineswegs nur meckern, doch beim Herunterschreiben sind doch einige Kritikpunkte aufgetaucht, die den Beitrag zu lang machen würden. Deswegen gibt es jetzt erst den Hexenfluch mit großen und kleinen Kritikpunkten und in einem zweiten Beitrag dann die schönen Erlebnisse. Hier also das Gemotze.
Ganz große Kritik
Ich kann es schon nicht verstehen, wenn man Besuchern, die den ganzen Tag bei 30 Grad im Schatten durch die Stadt laufen, halbvolle Plastik-Wasserflaschen am Eingang wegnimmt, weil sonst angeblich die Getränke-Dealer auf dem Gelände Konkurs anmelden müssen. Das ist lächerlich und gegenüber denjenigen, die nicht genug Geld haben, um ihre Getränke ständig in Mülleimer zu werfen, eine Frechheit. Mein Verständnis hört aber vollends auf, wenn einem am Eingang LEERE Plastikflaschen weggenommen werden. Was soll das? Ist das eine prima Einnahmequelle, die sich die Veranstalter nicht entgehen lassen wollen? Einen anderen Grund sehe ich nicht. Jede Erklärung klingt wie ein Vorwand und ist definitiv an den Haaren herbeigezogen. Wenn du rein willst, musst du uns das Pfandgeld schenken. Kleine Rechnung: Wenn man davon ausgeht, dass man mit einer Pfandflasche 25 Cent verschenkt und wenn jeder Besucher nur zwei Flaschen pro Tag abgibt (wahrscheinlich sind es mehr), weil er sonst nicht durch den Eingang kommt, dann sind das bei vier Tagen pro Besucher 2 Euro. Macht bei etwa 20.000 Besuchern stolze 40.000 Euro. Rein theoretisch natürlich. Einfach nur geldgeil und ätzend, um mal einen altertümlichen Ausdruck zu benutzen.
Agra – Kameras, Karneval und Komasaufen
Wenn wir gerade beim Thema „Gefällt mir nicht“ angekommen sind, kann ich gleich das Agra-Gelände auch noch mit Schimpf und Schande überschütten. Es wäre es ganz hervorragend, wenn die Veranstalter dafür sorgen könnten, dass die kostenlosen Toiletten ab und zu mal geputzt werden. Allerdings würden dann weniger Leute auf die kostenpflichtigen Toiletten gehen, die einigermaßen erträglich sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Außerdem würde es der ganzen Veranstaltung verdammt gut tun, wenn man die Pressefotografen nicht aufs Gelände lassen würde. Zum Schaulaufen ist in der Innenstadt genug Platz. Da sitzt dann auch gleich noch das passende Publikum, das sensationslüstern auf die Halbnackten und Gruseligen wartet, weil es das WGT für so was wie eine Karnevalsveranstaltung hält. Ich weiß, dass vielen Besuchern die Gruppe auf die Nerven gegangen ist, die den Agra-Catwalk mit Schlagermusik beschallt hat und mit Bonbons geworfen hat. Dennoch fand ich das irgendwie passend. Das war aktiver Protest nach Punk-Manier. Man kann darüber streiten, ob das durchdachter Protest war oder nur sauf-fröhliches Gehabe. Das kann man aber bei den Punks von früher auch diskutieren. Protest ist Protest und Protest stört die Ordnung – auch wenn es die Ordnung einer Subkultur ist, deren Mitglieder sich bislang nicht gerade mit großem Engagement gegen die Kommerzialisierung und Verwurstung der Szene gewehrt haben. Die Agra war der richtige Ort, um lauthals und deutlich mit Schausaufen, Kamelle und Kirmes-Ansagen auf dem Saufsteg Krach zu machen. Egal, ob durchdacht oder dämlich. Besser als ständig schweigen und alles hinnehmen!
Moritzbastei - Slalomlauf um die Fotografen
Letzter Kritikpunkt, bevor es mit Erfreulichem weitergeht. Am Wochenende ist der Weg zur Moritzbastei der reinste Hindernislauf. Wer nicht fotografiert werden möchte, muss hochkonzentriert den Fantastilliarden von Hobby- und Profiknipsern ausweichen, die an allen Ecken und Enden lauern und denen schon von Weitem zu verstehen geben, dass das Knipsen nicht erwünscht ist. Manche WGT-Touristen fragen nicht einmal mehr, ob sie fotografieren dürfen, sondern halten einfach munter drauf. Im schlimmsten Fall reagieren sie sogar beleidigt, wenn man sie freundlich darauf hinweist, dass man das nicht möchte. Im Laufe der Zeit scheinen schwarze und bunte WGT-Besucher generell mit dem Label „fotogeil“ gebrandmarkt worden zu sein. Wer nicht fotografiert werden möchte, kann nur Schminke und Toupierkamm im Koffer lassen und in schlichtem Schwarz auftauchen. Dann bleibt das Blitzlichtgewitter aus. Kann ja auch nicht der Sinn der Sache sein. Ansonsten an dieser Stelle aber noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Leipziger. Ich weiß, dass das WGT viel Geld in die Kassen spült und dass auch deshalb die Gruftis nett empfangen werden… ABER: Ich habe schon unter vielen Artikeln im Netz, in denen Gruftis nicht so gut wegkamen, Kommentare von Leipzigern gelesen, die uns mit großem Einsatz in Schutz nehmen und verteidigen. Müssen sie ja nicht und deshalb rührt es mich sehr, schließlich kann einem die schwarze Meute ja auch auf die Nerven gehen, wenn man damit nichts anzufangen weiß. Vor allem, wenn man mit Kindern unterwegs ist und denen erklären muss, warum „die Frau nichts anhat und von einem Mann mit Maske und Hörnern am Halsband durch die Stadt geschleift wird“. Ich bin in Leipzig bislang nur freundlichen, zuvorkommenden Einheimischen begegnet. Die herzliche Begrüßung an der Tram per Lautsprecherdurchsage finde ich auch sehr nett. Danke, Leipzig!
Der zweite Teil mit den positiven Seiten des WGT folgt…