Nach einem etwas stressigen Wiedereinstieg in den Alltag inklusive Geburtstag, kommt hier nun endlich der Amphi 2012-Bericht. Es war nicht so schrecklich, wie es die Überschrift vermuten lässt. Dennoch gab es einige Schock-Effekte, die noch auf dem Amphi selber zur Geburt der Überschrift führten. Der geneigte Leser dieses Blogs weiß, dass ich zunächst die grauenvollen, negativen, bösen, schrecklichen Erlebnisse schildere, weil es in meiner Natur liegt. Falls ich mich noch daran erinnere, das war schließlich vor drei bis vier Tagen… Robert kann ja dann die positiven Punkte nachtragen. Er wird sich Kommentare zu meinem Geschreibsel sicher ohnehin nicht verkneifen können. Doch lasst uns seriös werden und mit dem Bericht beginnen. Das Amphi war so:

Kirmes-Feeling auf dem Amphi

Als wir am Tanzbrunnen eintrafen, kam es zu unserer ersten Begegnung mit „Glöckchen“ und „Leuchte“. Glöckchen war nicht die Schönste, nicht die Schlankste und auch nicht die Schlauste und sie bimmelte. Wahrscheinlich eine dieser Glocken am Schuh, die aus mir unverständlichen Gründen einst für schwarze Kleiderschränke zugelassen wurden. Glöckchen fummelte unentwegt an ihrem Oberteil herum, um die darunter liegenden Massen in Form zu baggern und „Leuchte“, ein wenig betrunken (war ja auch schon fast Mittag), versicherte unaufhörlich, dass sie toll aussieht. War natürlich gelogen, es sei denn, er war noch besoffener als wir dachten. Allerdings soll es ja Leute geben, die lieblos zusammengeklatschte, fettige, lila Girlie-Zöpfe toll finden… Ich erzähle das, weil die beiden symbolisch für die Stil- und Verhaltensauffälligkeiten auf dem Festival stehen. Außerdem sind sie uns gefühlte 200 Mal über den Weg gelaufen und wurden im wahrsten Sinne des Wortes zum „Running Gag“.

Wir betraten also das Amphi-Gelände und tauchten ein ins stilechte, schwarze Ambiente: Kirmesstand mit Zuckerwatte, Popcorn, Kokosnüssen und Lebkuchenherzen, Alm-Hütte mit Leberkäse-Semmeln und Krustenbraten, Strandbar mit Diskokugel-Deko und was man eben noch so braucht auf einem Fest der „Schwarzen Szene“. Über all dem schwebte ein großer schwarzer X-tra-X-Luftballon und drehte sich im Wind. Die Zeiten, in denen Gruftis sich vor Grabsteinen auf Friedhöfen fotografierten, sind übrigens auch vorbei. Im Trend liegen jetzt Fotos vor Sandburgen. Als Altgruftis haben wir allerdings vergessen, die Sandburg zu fotografieren. Sorry!
Almhütte auf dem Amphi

Oktoberfest-Feeling auf dem Amphi

Wir kauften uns jeder ein klitzekleines Wasser für jeweils 4 Euro, teilten uns eine kleine Pommes und versuchten, den ersten Schock zu verdauen, der sich seit einigen Jahren beim Betreten eines Grufti-Festivals, speziell beim Blick aufs Publikum, unweigerlich einstellt. Allerdings stellten wir fest, dass erstaunlich wenige Cyber anwesend waren. Dafür gab es einen großen dicken Hund (?) mit „Alice im Wunderland“ im Schlepptau, Engel mit überdimensionalen weißen Flügeln, ein Teufel war auch noch vom letzten Karneval in Köln über, zahlreiche Soldaten marschierten über den Platz und offensichtlich gab es angesichts der vielen Frauen im Stewardess-Dress einen Flughafen in der Nähe. Einige Männchen wackelten an der Leine hinter ihren Weibchen her und immer wieder bimmelte „Glöcken“ Oberteil-zupfend hinter „Leuchte“ her an uns vorbei. „Nee, sieht gut aus, wirklich! Komm jetzt!“ „Bimmel bimmel, zupf, stampf“. Aber wir waren ja wegen der Musik da und deshalb machten wir uns auf zur Bühne. Keine Ahnung, wer da spielte, aber ich fand es doof.

Also beginne ich mit dem Highlight, weil ich mich an den Rest eh nicht mehr erinnere: Camouflage! Einfach großartig!  Nach den ganzen Techno-Beats, Unz-Unz-Songs und Grunzlauten, die man vorher so gehört hatte, endlich ein Sänger, der singt und eine Band, die nicht versucht, möglichst cool, böse oder wahlweise mystisch oder martialisch vor sich hin zu posen. Alle Musiker hatten offensichtlich großen Spaß am Zusammenspiel und als es gerade drohte, langweilig zu werden, hat die Band zusammen mit dem Publikum einen Song fürs nächste Album aufgenommen. Ich werde beim Management beantragen, dass mein grauenvoller Gesang rausgeschnitten wird, damit das Ding eine Chance auf Erfolg hat.

Karneval… ach neee.. Amphi in Köln

Danach verblasst die Erinnerung und wird erst bei den Sisters of Mercy wieder klar. Hätte ich allerdings nicht gewusst, dass die gerade auf der Bühne stehen, hätte ich auf eine Coverband getippt. Die Gitarren klangen wie stinknormale Rockgitarren, Herr Eldritch klang wie… jedenfalls anders, alles schien einen Tick zu schnell gespielt zu werden und außerdem… na ja… wir haben die Zeit genutzt und sind spazieren gegangen. Zu sehen gab es ohnehin nicht viel und hören konnte man ja von überall auf dem Gelände. Zwei bis drei Songs waren dann auch sehr gelungen und die weibliche Interpretation von „This Corrosion“ war großartig. Außerdem muss ich an dieser Stelle Herrn Andrew mal in Schutz nehmen. Er war angemessen gekleidet und wirkte keineswegs lustlos. Die Masse direkt vor der Bühne war jedenfalls begeistert und „Katastrophe“, wie es oftmals prophezeit wurde, kann man den Auftritt wirklich nicht nennen. Es war… okay. Ich höre mir trotzdem lieber die „Originalversionen“, der inzwischen antiken Songs an. Die sind mir lieber. Am späten Abend gab es dann den Auftritt, von dem der Wizard of Goth noch in 50 Jahren erzählen wird: DAF! Ich fand es toll. Allerdings war die Luft in der Halle so schlecht, dass ich nach der Hälfte des Konzerts raus musste. Während Robert wie ein Wilder tanzte, beobachtete ich die lustige Wirkung von Alkohol. Die Anschauungsobjekte tummelten sich vor der Halle und versuchten verzweifelt, auf einem Fleck stehenzubleiben, was nicht gelang, mich anzubaggern, was auch nicht gelang, oder sich zu unterhalten, was offensichtlich gelang, mir aber ein Rätsel blieb, weil ich nicht alkoholisch spreche.

Lustiger Ausklang des 80er-Jahre-Festival-Tags. Zum Sonntag kann ich nicht viel sagen, weil es da irgendwie keine Highlights gab, die mir in Erinnerung geblieben sind. Es war auch ziemlich voll auf dem Gelände, die Sonne brannte vom Himmel und es gab kaum Schatten. Getränke kann man sich ja auf dem Amphi nur leisten, wenn man vorher im Lotto gewonnen hat und an dem kostenlosen Trinkwasser-Hahn war eine zwei Kilometer lange Schlange. Kurzum: Wir fuhren so gegen 20 Uhr zurück gen Heimat. Gleich nachdem wir auf dem Parkplatz kochende Cola und kochendes Wasser getrunken hatten. Die Flaschen durften wir ja nicht mit aufs Gelände nehmen, also hatten sie den ganzen Tag im Auto gelegen. Und während wir so – kurz vor der Abfahrt – im Auto auf dem Parkplatz saßen und tranken, hörten wir es bimmeln. Um die Ecke bogen „Glöckchen“ (fluchend) und „Leuchte“ (besoffen): bimmel bimmel, stampf, stampf!“

Jetzt sitze ich hier mit Sabrinas Einleitung, über die positiven Dinge des Amphi 2012 zu schreiben. Das fällt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht leicht, denn Preise für Getränke und nahrungsähnliche Produkte sprengten den Rahmen jeder Festivalkasse, das anwesende Publikum feierte zu einem Meer aus Plastikbecher-Bier, das kulturelle Rahmenprogramm war äußerst dürftig und die typischen Szene-Dinge, die man an den zahlreichen Ständen erwerben konnte, waren meiner Ansicht nach im Preis explodiert. Womöglich, um die Kosten für Spesen auf dem Festival zu decken. Ich will es trotzdem versuchen.

Der Samstag begrüßte uns mit einem fast sonnigen Himmel, nach 2 Wochen Dauerregen eine wirkliche Belohnung. Mantel, Schal und Regenschirm – die wir angesichts des sommerlichen Julis mitgenommen hatten – wurden glückerlicherweise nicht benötigt. Es war bedeckt und nicht zu warm, eigentlich ideal für entspannten Musikgenuss. Ganz im 80er-Jahre-Feeling, für das sicherlich unser Alter verantwortlich ist, lockte uns dann auch Camouflage vor die große Bühne, die allen vorangegangenen Künstlern zeigten, wie man trotz gehobenen Alters noch ein Publikum für sich gewinnt und dass Gesang im Laufe der Jahre reift, aber nicht schlechter wird. Aus ihrem kommenden Album Greyscale stellten sie ihr Stück “Shine” vor, für das sie das Publikum einluden, sich eventuell als Chor im Hintergrund zu verewigen. Im folgenden Video (nicht von mir) ist Sabrina übrigens ganz deutlich herauszuhören, ganz links, ganz laut. Hört mal genau hin. Und obwohl mir die Musik von Camouflage etwas zu poppig geworden ist und nicht ganz meinem Beuteschema entspricht, ziehe ich meinen Hut vor diesem gelungenen Auftritt, den sie mit “Love is a Shield” und “The great Commandment”  würdig abschlossen.

Natürlich wartete alles ganz gespannt auf die Sisters of Mercy, die allein durch ihren Namen Massen vor der Bühne versammelten. Andrew Eldritch, der dann auch irgendwann aus dem Nebel kroch, hätte ich übrigens nicht wiedererkannt. Hätte er nicht das Mikro in der Hand gehabt und mit seinem Gesang begonnen, wäre mir die Identiät dieses Menschen schleierhaft geblieben. Gut zu sehen im Eröffnungsstück “First & Last and Always“. Nun haben es die Sisters of Mercy ja doppelt schwer, denn die Erwartungshaltung deckt sich immer noch mit den alten Stücken aus längst vergangenen Zeiten und auf neue Musik aus dem Hause Eldritch warten wir ja schon eine ganze Weile vergebens. So fühlten wir uns bei den Live-Versionen der alten Stücke Anno 2012 auch überhaupt nicht wohl, womöglich, weil wir durch jahrelanges konsumieren der Alben-Versionen gar nicht mehr anders können, als neue Interpretationen kritisch abzuschmettern. Die weibliche Version von “This Corrosion” (Lisa Cuthbert) war dennoch großartig, wenn es nach mir gehen würde, könnten mehr Sisters-Stücke auf diese mehr als angenehme Art einen neuen Glanz erfahren. Die im Hintergrund pfeifenden Hohlbirnen müsst ihr euch wegdenken, um diese Uhrzeit war der Alkoholspiegel sicherlich höher als der des Rheins, der stoisch im Hintergrund vorbeiplätscherte.

Gabi Delgado - DAF - Amphi 2012

Wie immer mit stolzer Brust

Ich möchte festhalten: Manchmal unterscheiden sich Erwartungshaltung und Darbietung deutlich voneinander. Die Frage ist, wo das Problem liegt. Fakt ist aber, dass die Sisters den Eindruck erwecken, mit aufgewärmten Kamellen ein wenig Geld in die Kassen spülen zu wollen. Vielleicht liegt es auch an diesem Interview, wer weiß. Man könnte aber auch festhalten, dass die Sisters immer noch bereits sind, den Fans das zu geben, was sie sich wünschen. Man hat sich auf der Bühne zu mindestens Mühe gegeben, das zu liefern.

Den ganzen Samstag freute ich mich schon auf die Deutsch-Amerikanische-Freundschaft (in Fachkreisen auch DAF genannt), die ganz ähnlich wie die Sisters schon seit gefühlten Ewigkeiten nichts neues mehr auf den Markt geworfen haben. Ihre Live-Auftritte sind aber wie immer wieder großartig, nicht zuletzt wegen der Energie, die Frontmann Gabi Delgado auf der Bühne verströmt. Sicher, ein Großteil der Musik kommt aus der Konserve und von “Gesang” kann man wirklich nicht reden, doch das war zu keiner Zeit anders. Ein glücklicher Zufall wollte, dass wir kurz vor Konzertbeginn Silvia und ihre Freundin Angela trafen, die ebenso neugierig wie gespannt auf die Darbietung waren. Es kam so, wie es kommen sollte. Ich habe das komplette Konzert durchgetanzt, denn glücklicherweise war vor der Bühne ausreichend Platz vorhanden. Beginnend mit dem Stück “Verschwende Deine Jugend” (das Video stammt aus England, denn war der Auftritt bis auf “englische Jungs und englische Mädchen” nahezu gleich), spielten sich die Beiden mit Leichtigkeit in die Füße der Anwesenden. 80er-Feeling auf dem Amphi 2012! Yeah! Und versprochen, von diesem Auftritt erzähle ich in 50 Jahren noch, vorausgesetzt, mein Körper ist einverstanden.

Der Sonntag verlief musikalisch unspektakulär und ertrank eher in gnadenloser Hitze. So huschten wir von Schattenplatz zu Schattenplatz und trafen die andere Sabrina und ihre Freundin im Beachclub (klingt komisch oder?), von der ich dann glücklicherweise etwas Haarspray für meine in Mitleidenschaft gezogenen Frisur bekommen konnte.  Dennoch schafften wir es, uns für den Auftritt der Crüxshadows aufzuraffen und vor der Bühne einzufinden. Leider sorgte das stark techno-lastige Set für kein wirkliches Gefühl zur Musik, auch wenn böse Zungen behaupten, die CxS hätten noch nie etwas anderes gemacht.  Ich war aber erstaunt über die Professionalität des Frontmannes Rogue, der in jeder Lage (wer die Auftritte kennt, weiß was ich meine) sang und mit dem Publikum spielte, was ich immer noch sehr erstaunlich finde, der Kerl wird auch nicht mehr jünger.  Insgesamt aber ein gelungenes Amphi, wenn ich mich auf die musikalischen Darbietungen beziehe, vom drumherum reden wir jetzt nicht weiter.