Die heimische Musiklandschaft quillt bekanntermaßen nicht gerade über vor Labels im experimentellen Bereich bzw. Leuten, die dauerhaft und konsequent die unbequemen Genres Industrial, Experimental oder Avantgarde bedienen. Walter Robotka bildet da eine der ganz wenigen Ausnahmen.

Schon mit Syntactic, seinem ersten Label, hat Robotka einen Pfad eingeschlagen, den zu gehen nicht viele wagen - noch dazu mit Veröffentlichungen, die weit abseits der Norm liegen. Wer sich mit Künstlern wie Organum, Rapoon, Konstruktivists, Nocturnal Emissions, Hafler Trio oder etwa Muslimgauze beschäftigt, kommt über kurz oder lang nicht um die Namen Syntactic und Klanggalerie herum.

Angefangen hat Robotka 1993, wie er uns im folgenden Interview erzählt, und seitdem beliefert und verwöhnt er Musikliebhaber weltweit mit exklusiven Veröffentlichungen, aufwändiger Covergestaltung und Neuauflagen längst vergriffener Alben.

Neben seinem Label betreibt Robotka auch das Buch- und Musikgeschäft "Mord + Musik", das ebenfalls sehr ausgewählte Bücher und CD's anbietet, wobei der Name schon einen guten Eindruck vermittelt, worauf man sich hier spezialisiert.

 

Auch als Veranstalter ist er aktiv, und nicht zuletzt dadurch maßgeblich an der Entwicklung der hiesigen Industrialszene beteiligt.

Das Interview führte Onkel Scrag! per Elektropost.

 

Dein erstes Label war ja Syntactic, wie und wann kam es dazu, und wer waren die prominentesten Künstler, die darauf veröffentlicht haben?

Syntactic entstand 1993. Ich war gerade in England, zu Besuch bei David Jackman (Organum) und Robin Storey (Rapoon). Ich hatte ja früher schon immer Kontakt mit Bands, die mir gefielen, gehabt, und mir dann irgendwann gedacht, es wär doch nett, nicht nur zu sammeln, sondern auch was zu produzieren. So hab ich die beiden vor Ort gefragt, ob sie Lust auf eine limitierte Single hätten, und beide waren sofort dabei. Danach kamen die Konstruktivists und Andrew Lagowski unter dem Namen Legion. Die bekanntesten Namen: Blaine L. Reininger von Tuxedomoon, Paul Haig von Josef K, The Hafler Trio, Merzbow, Scanner, Muslimgauze, Fennesz, Ghedalia Tazartes.

Gibt es eigentlich noch Restbestände alter Syntactic-Veröffentlichungen? Verfolgst du, ob die Singles heutzutage über Ebay oder ähnlich gehandelt werden, und um welche Beträge?

Nein. Ich habe mir von jedem Release 1-2 Stück behalten, sonst nichts. Die Ebay-Preise verfolge ich schon länger nicht mehr. Vor ein paar Jahren wurden aber einige der frühen Singles so um die 300 Euro gehandelt.

 

Wann und warum wurde aus Syntactic die Klanggalerie?

Das Konzept von Syntactic war, die Cover aus allem möglichen zu basteln, und nur keine Standardcover zu verwenden. Wir haben Filz bedruckt, eine Milchkanne geschnitten, Holz geschnitzt und vieles mehr. Irgendwann dachte ich dann, so jetzt reicht's, wir haben alles gemacht, was zu machen war, und ich wollte zurück zu einer einheitlichen Ästhetik. Daher waren die ersten Klanggalerie-Singles auch alle schwarz-weisse Cover, ohne Bandnamen, ohne Titel. Die Cover sollten sozusagen auch als Bilder allein etwas taugen, daher auch der Galerie-Bezug.

Wie waren die Reaktionen auf die Auflösung von Syntactic, gab es da viele enttäuschte Sammler?

Die meisten wurden einfach Klanggalerie-Kunden ;-)

Hat sich die Ausrichtung zwischen Syntactic und Klanggalerie verändert?

Musikalisch anfangs nicht. Ich habe viele Künstler quasi mitgenommen von Syntactic zu Klanggalerie. Die Nocturnal Emissions, Sleep Chamber uva. Im Laufe der Jahre hat sich die Klanggalerie aber als reines CD-Label etabliert, Vinyl gibt's nicht mehr. Das ist das Resultat einer völlig schiefgegangenen Nurse with Wound-Single, ich habe mir damals geschworen, nie wieder Platten zu machen. Bis heute bin ich meinem Schwur treu geblieben ;-)

...obwohl es doch sowas wie ein Vinyl-Revival gibt? Man sieht heute wieder vermehrt Vinyl in den Geschäften, juckt's dich da nicht manchmal?

Nein, zur Zeit nicht, und zwar wirklich überhaupt nicht. Mir ist Vinyl total fremd geworden.

Wie nimmst du das Interesse an Industrial und experimenteller Musik wahr? Hat sich das in den Jahren des Bestehens deiner Labels geändert?

Eigentlich nicht. Die Toleranz ist natürlich größer geworden. Hätte man 1985 in einem Club wie dem Fluc Merzbow oder Whitehouse gespielt, wäre das Publikum davongelaufen und man selber wäre von freundlichen Herren in weißen Kitteln abgeführt worden. Heute gehört das zum Standard. Nicht einmal Publikum, das zufällig anwesend ist, läuft bei sowas davon. Im Gegenteil, die Leute finden das toll. Die Sammler, die es damals gab, gibt es meines Erachtens nach auch heute noch, auch wenn einige wenige zum Download übergegangen sind. Der harte Kern ist aber immer noch aktiv.

Wobei die Downloads ja oft die einzige Möglichkeit sind, sich mit der Musik überhaupt bekannt zu machen, spezielle Blogs bieten da schon ganz feine Alben an - wie etwa "The Thing On The Doorstep" - wie gehst du damit um wenn sich so etwas mit einem aktuellen Release überschneidet, bist du in Kontakt mit diesen Bloggern?

Ich finde die Blogs toll, wenn sie sich um Sachen kümmern, die nicht zu kriegen sind. Wenn sie Releases von mir raufstellen, die vergriffen sind, ist das OK: Wenn sie aber erhältlich sind, dann nehme ich sofort Kontakt auf, da gibt es dann auch keine Schwierigkeiten.

Inwiefern hängen Klanggalerie und dein Geschäft Mord und Musik zusammen?

Sie hängen insofern zusammen, als ich meine beiden Leidenschaften - Literatur und Musik - unter einen Hut bringen kann. Im Mord & Musik gibt es die Klanggalerie CD's zu kaufen (und natürlich auch andere CD's). Die Klanggalerie beschäftigt mich vormittags, nachmittags sitze ich dann im Buchladen. Was sicher auch beiden gemeinsam ist, ist, dass ich hier wie dort auf ausgefallene Sachen wert lege, und keinen Kommerz verkaufe. Ich versuche die Arbeit von Klein-Literaturverlagen zu fördern, indem ich ihre Titel anbiete, so wie ich hoffe, dass sich auch andere auf der Welt für kleine Labels wie die Klanggalerie einsetzen. Ich möchte mit beiden der Masse und Quantität ein bisschen Qualität entgegensetzen.

Welches war dein erfolgreichstes Release bisher, gab es Überraschungen (also unerwarteter Ansturm auf ein Release), und läuft Klanggalerie insgesamt zufriedenstellend?

Die Klanggalerie läuft sehr ok, man muss sich nur mal überlegen, wieviele Labels in den letzten 18 Jahren gekommen und wieder gegangen sind. Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir immer konsequent unseren Weg gegangen sind, und nie auf einen Trend aufgesprungen sind. In den Neunzigern war Wien eine Zeit lang die Haupstadt des abstrakten Noise, das kam und genau so schnell wie es kam, ging es auch wieder. Die Klanggalerie war immer sehr international ausgerichtet. Sogar wenn wir österreichische Künstler wie die Vielen Bunten Autos herausbrigen, dann verkaufen wir von den 500 Stück 40 in Österreich, und 460 in Japan, USA und Europa. Erfolgreich waren alle Nocturnal Emissions-Reissues (obwohl die davor sehr wenig populär waren), die Noenbeats-Compilation, die Sprung Aus Den Wolken-Reissues in letzter Zeit. Im Endeffekt waren alle erfolgreich, die heute ausverkauft sind, und das sind an die 170 von 200.

Du möchtest ja auch demnächst verstärkt Österreichische Künstler herausbringen bzw. hast mit Neonbeats eine bedeutende Zusammenstellung Österreichischer Undergroundmusik herausgebracht, was steht denn da noch an und wie ist deine Erwartungshaltung?

Erwartungshaltung gibt es keine. Die Neonbeats haben auch hierzulande mal großes Medieninteresse gebracht, was mich sehr freut. Die Zusammenarbeit mit den meisten Künstlern ist äußerst angenehm verlaufen, das Material, das da noch einer Veröffentlchung harrt, ist oft großartig. Was liegt da näher, als tiefer zu graben, und mehr aus den Archiven auszugraben? So wird es zum Beispiel eine neue Modell D'oo CD geben, eine mit den gesammelten Werken von Gottfried Distl & Andrea Dee (Rassemenschen/Sternenstaub) und vieles mehr. Die Rassemenschen werden übrigens sogar neues Material aufnehmen, das wird großartig!

  


Wohin verkaufst du deine Veröffentlichungen, gibt es da Länder, die herausstechen?

Japan ist eigentlich mein bester Abnehemer, gefolgt von Deutschland und USA. Österreich sticht auch heraus, allerdings in die Gegenrichtung. Da verkaufe ich meistens 5 Stück einer CD im Mord & Musik ;-)

Wo ortest du derzeit die aktiveste Industrial-Szene?

Eigentlich in Osteuropa. Vielleicht liegt das daran, dass es viele Leute dort noch schwerer haben, so wie es in den Achtzigern in England war. Aber wenn man mal in Tschechien, der Slowakei oder Polen auf einem Industrial-Fest war, dann sieht man, was für Unmengen Leute da kommen, wieviele junge lokale Bands es gibt. Das funktioniert dort total! In England gibt es die meisten Bands von damals noch, aber die spielen auch im Ausland, sind auf europäischen oder amerikanischen Labels, und Konzerte in die Richtung gibt es dort sowieso kaum. Ganz zu schweigen von Geschäften. Es gibt in London eigentlich keinen Laden mehr, der Industrial verkauft (ausser Second Hand Läden und ein bisschen bei Rough Trade).

Glaubst du dass es dann auch sowas wie ein Industrial-Revival geben kann, gerade wenn es viele junge Bands gibt? Verlagert sich die Szene dann überhaupt in den Osten?

Sind wir da nicht mittendrin?

Arbeitest du mit anderen Labels zusammen bzw. gab es jemals Anfragen von oder Kooperationen mit Major Labels?

Nein. Major überhaupt nicht, andere Labels selten. Die erste Andrew Liles CD kam in Kopperation mit Colin Potters ICR heraus. Die neue Scattered Order CD ist eine Koproduktion von Klanggalerie und Rather Be Vinyl.

Du bist ja auch als Veranstalter recht aktiv, wie denkst du über die Situation für Veranstalter speziell in Wien?

Das ist, würde ich sagen, ein teures Hobby ;-) Man braucht viel Idealismus und gute Nerven. "Recht aktiv" finde ich auch übertrieben, es wird einem ja eher ausgetrieben hierzulande. Es gibt ja kaum Support. Sag mir ein Lokal, in dem Skinny Puppy heute spielen sollen. Also spielen sie halt zweimal in der Slowakei. Zwei Mal! Hier geht das nicht. In Bratislava kostete die Karte 30 Euro. Wenn Du hier 12 Euro verlangst, regen sich die Leute auf, dass sie da 3 Bier drum kriegen. Trotzdem juckt es mich halt hie und da, und so stehen Geneviéve Pasquier, Section 25 und Thorofon an in nächster Zeit. Aber allzu oft kann man sich sowas nicht leisten. Man muss eigentlich fast immer einen Verlust einkalkulieren. Da fragt man sich dann schon, warum soll man um die 300 Euro Verlust nicht lieber wo hinfahren und sich die Band dort ansehen? Das kostet auch nicht mehr....

Aus den Genres, die du bedienst - welche neuen Bands/Künstler würdest du empfehlen?

Pumajaw finde ich spannend. Das ist die gute Pinkie Maclure, die schon in den Achtzigern auf diversen Platten gesungen hat, mit dem John Wills, der früher bei Loop war (tolle Band auch übrigens). Atomizer finde ich gut, das ist britischer klassicher Synth-Pop. Sonst muss ich gestehen, bin ich immer noch viel den guten alten Bands von anno dazumal verfallen....

 

... was ja vollkommen berechtigt ist, weil herzlich wenig nachgekommen ist, leider! Sind wir Achtziger-Nostalgiker dann die Hippies der Neuzeit? Oder liegt es daran, dass die Achtziger einfach noch nicht "fertig" mit uns sind?

Ich weiss es nicht. Manchmal habe ich Angst, dass ich einfach den Kontakt zur Jetztzeit verloren habe. Aber ich wurde nunmal in den Siebzigern und Achtzigern musikalisch geprägt, und das ist für mich immer noch das Maß der Dinge. Ich finde ja, dass die Bands von damals auch heute noch tolle Sachen machen.

Wie entscheidet sich bei Klanggalerie ein neues Release - sind das persönliche Vorlieben, oder sprechen dich auch Künstler an?

Wir bekommen Berge von Demos. Angehört wird alles. Gesigned wird davon allerdings wenig. Natürlich sprechen uns auch Bands an, die wir mögen. Cultural Amnesia zB haben damals angefragt. Oder auch O Yuki Conjugate. Im Endeffekt entscheidet der Geschmack. Genretechnisch gibt es keine Einschränkungen. Finden wir's gut, riskieren wir es.

Was erwartet uns in nächster Zukunft, welche Veröffentlichungen sind geplant?

Das neue Album von Scattered Order - eine weitere Non Toxique Lost CD. - Neue Nocturnal Emissions - mehr Konstruktivists Reissues. - Das erste Album von Achim Wollscheids SBOTHI auf CD - die erste Mushrooms Patience auf CD. Die genannten Österreicher. Und und und!

 

Wir bedanken uns superherzlich für das Gespräch und verweisen hiermit noch auf die beiden Seiten: