"The Ball" ist eine seit bald einer Dekade bestehende Party, die in allen dreien Inkarnationen des jetzigen Viper Rooms stattfand. Grund genug, sich einmal eingehend damit zu befassen!

Da die letzten Ball-Abende sehr beliebt und gut besucht waren, scheint es fast so, als wären die beiden resident DJ's und Ball-Macher Filip (aka Trax) und Flo (aka Spike) als einzige aus dem großen Partysterben in den letzten Monaten (und eigentlich Jahren) als erfolgreiche Veranstalter hervorgegangen. Offenbar macht sich Konsequenz und Beharrlichkeit bezahlt, und das Publikum dankt es mit konstantem Zustrom.

Die Eigenbeschreibung auf der Facebook-Seite trifft es ja schon recht gut:

Düstere Klänge aus den letzten Dekaden, dichter Nebel und ein Hauch von Nostalgie - in den mittlerweile 8 Jahren hat sich die Veranstaltungsreihe „The Ball“ zu einem Fixpunkt der hiesigen Gothic & Wave Szene etabliert, ohne dabei jemals an Authentizität und Stimmung verloren zu haben.

Aber wie lange genau gibt es The Ball schon? Und wie geht es weiter? Wie schon bei den Terminen zu sehen ist, gibt es auch offenbar Konzerte im Rahmen der Party.

Wir haben Trax dazu befragt, und freuen uns sehr, dass er uns so ausführlich geantwortet hat.

Das Interview führte Scrag!

The Ball ist nicht nur eine Party, sondern auch ein über die Jahre gewachsenes Konzept, wie uns Trax erklärt:

Also genau genommen gibt es "The Ball" unter diesem Namen seit damals (1999/2000), als Manfred das Avantgarde übernommen hat und wir uns vor der The Monastery-Eröffnung Gedanken über das Programm und Event-Namen gemacht haben. Da waren sicher zwanzig verschiedene Namen auf der Liste, und "The Ball" war für ein gemischtes Gothic/EBM-Festl immer mein Favourite. Aber im Grunde ist die Idee dahinter schon 20 Jahre alt. "Temple of Love", damals im U4, "Dark Entries" im Rockhaus und diverse andere Festln, an die ich mich altersbedingt nicht mehr erinnern kann, basieren auf dem gleichen Konzept.

An die "Temple Of Love"-Parties erinnert sich so mancher von den Älteren noch, sie waren nach dem "Abgang" der früheren U4-DJ's in andere Lokale wie das Chelsea ein Novum der jungen Szene... eine genaue Datierung fällt aus einem bestimmten Grund recht schwer:

...das war Anfang der 90er. Ich schätze '91-'93, bin mir aber nicht sicher ... hab da sicher noch Flyer daheim. Wir haben nur dasmals glaub ich keine Jahreszahl draufgeschrieben.
Das Festl haben wir damals mit Selti vom Badlands Massacre (Arena, Anm.) und Oli zusammen gemacht. Dark Entries im Rockhaus (ehemaliger Planet Music, Anm.) haben wir nur dreimal gemacht, weil "nur" 600 Leute da waren ... das waren noch andere Zeiten :-)

Wer sind die resident DJ's, und wonach geht ihr bei der Auswahl der Gäste?

Auswahl der Gäste? Es gibt keine Auswahl der Gäste! Falls du Gast-DJs meinst … das ist reines Bauchgefühl. Ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung von The Ball. Wie die Stimmung sein soll, und wie das Ganze klingen soll. Das ist ziemlich schwierig zu erklären … Ich schreibe weder jemandem vor, was er auflegen soll, noch schreibe ich im Nachhinein Playlists. Darum legen bei uns in erster Linie Leute auf, die ich seit Jahren kenne und von denen ich sagen kann, dass ihr Stil auch zu The Ball passt.

Ich bin aber auch selbst viel in der Szene unterwegs und höre mir an, was und wie die Leute auflegen. Da sind dann einige Wunschkandidaten dabei … ein gewisser Herr Scrag! weigert sich seit Jahren! :)
Das ist für The Ball eine Bereicherung und für die Gast-DJs eine gute Möglichkeit, vor einem größeren Publikum aufzulegen. Es ist etwas anderes, ob man vor 20 bis 40 oder vor 150 bis 200 Leuten auflegt.

Ja, natürlich meinte ich die Auswahl der Gast-DJ's ....
Anm.: Ich habe übrigens schon öfter am Ball aufgelegt, ganze 6 Mal sogar ;-)

... es gibt definitiv keine Auswahl beim Publikum. Ich habe auch wirklich nichts gegen Besucher aus dem Pi, obwohl mir das einige Leute immer andichten wollen.

The Ball hat auch immer ein Motto - wonach gehst du dabei?

Das ist meistens eine rein egoistische Entscheidung ... :-)
Und natürlich muss das ein Thema sein, das zumindest im großen Rahmen bekannt ist...

Beim letzten Mal mit Solace und A Nurse Called Mike ergab sich ja eine recht prickelnde Mischung, meiner Meinung nach - aber hast du das Gefühl, dass sich bei allzu Speziellem dann doch die Anfragen nach Klassikern häuft (a.k.a. "Spü' wos g'scheids") ?

Die zwei haben spitze aufgelegt. Es zeigt sich nur, dass diese Musik nicht massentauglich ist. Das macht aber nichts, davon lass ich mich nicht abschrecken. Durch die Mischung mit den Classics aus The Ball kann man sich diesen Freiraum leisten.
Und Gäste die etwas anderes hören wollen gibt es immer. Egal was grad gespielt wird. Das ist aber immer nur eine handvoll. Auf manche Wünsche gehen wir ein, auf andere gar nicht. Damit muss man leben ... wenn von 180 Gästen 10 sichtlich unzufrieden sind, ist das ein guter Schnitt.

Mittlerweile findet The Ball regelmäßig statt, haben sich die Abstände bewährt, oder möchtest du ihn öfter/seltener veranstalten in Zukunft?

The Ball findet vier bis sechs Mal im Jahr statt Wobei wir im Sommer eine Pause machen. Da mag ich einfach nicht in einem stickigen Keller hocken … da geh ich lieber mit Freunden in den Wald grillen. Im Herbst und Winter sind dann die Termine etwas enger.

Wie ist die generelle musikalische Ausrichtung? Ihr schreibt ja, dass ihr viel Wert auf Classics legt ...

Na ja, das liegt daran, dass das inzwischen wirklich Oldies sind. Ich höre privat sehr viel mehr Musik als nur das. Bei Headcrash! z.b. haben wir Gothic ganz gestrichen und spielen von Punk bis Wave, von Eis-am-Stiel-50ies-Schnulzen bis Suede, von Nena bis Fever Ray oder Zola Jesus … aber das ist eine andere Geschichte... zurück zu The Ball.

Ich bin Anfang/Mitte der 80er im alten Why Not (legendäres Plattengeschäft in der Otto-Bauer-Gasse, Anm.) quasi aufgewachsen. Da hab ich jeden Tag nach der Schule immer mehrere Stunden verbracht und hätte mir am liebsten damals jede Platte gekauft. Das sind meine Wurzeln … Postpunk, Wave, Indie, Synthpop (Filmtipp: Synth Britannia sollte sich jeder anschauen!), 4AD, Factory, Mute. Das war die schönste und kreativste Zeit in der ganzen Musikgeschichte. Natürlich klingen die Sachen heute zum Teil besser, sind besser produziert, aber damals sind wirklich Songs mit Seele geschrieben worden.
Das heißt, der harte Kern bei the Ball ist 80er/Anfang 90er Gothic Rock inklusive aller musikalischen Wurzeln (in den 80ern hat das Wort Gothic in diesem Zusammenhang noch niemand verwendet) und alte EBM und Dark Wave Bands.
Britische Wurzeln … mit der Neuen Deutschen Todeskunst konnte ich schon damals relativ wenig anfangen und höre diese Sachen gar nicht mehr. Dazu werden natürlich je nach DJ bzw. Thema abends viele verschiedene Songs dazu gemischt. Das kann eine alte VNV Nation Nummer, Exploding Boys, Ultravox, Zola Jesus oder ROME sein. Hier gibt es auch keine Regeln. Die Stimmung muss passen. Und das heisst nicht, dass die DJs bis zum Umfallen vier Stunden lang Elektro-Nummern spielen, damit alle durchtanzen können. Ich mag gern Stimmungs- und Tempowechsel beim Auflegen. Man kann auch eine 12-Minuten-Fields-Nummer spielen, danach noch etwas Langsames von Trent Reznor und eine IAMX-Ballade. Na und? Wenn ich sehe, dass die Tanzfläche trotzdem voll ist und die Leute in Zeitlupe tanzen, weil es ihnen voll taugt … Dann kommt meistens Spike und weckt alle wieder auf. Ich mag diese Mischung!

 

 

Wie hat sich The Ball über die jahre entwickelt?

The Ball ist eine Zwei-Mann-Show (Spike und Trax) plus Gast-DJs. Spike ist mein 100%-iges Backup. Sollte ich einmal ausfallen, würde das kein Mensch merken Wir machen zusammen die ganze Planung, Organisation, DJ-Einteilung, Flyer, Deko, Soundcheck, Nebel usw. - Steffi macht meistens die Kassa und wir bekommen von Martin (Viper Room) jede Unterstützung, die wir brauchen.
Nachdem Manfred das Monstery geschlossen und beschlossen hat, etwas ganz anderes zu machen, habe ich mir überlegt, eine andere Location zu suchen. Ich lege auch gern im kleinen Rahmen auf, wie z.B. bei Headcrash! und früher im Schlawiner. Aber the Ball ist eine Party! Tatsache ist, es gibt in Wien keine vergleichbare leistbare Location mit richtiger Tanzfläche und Raum für ca. 200 Leute. Man hat im Viper Room nicht das Gefühl, dass man in einer Gemeindebauwohnung steht (Raumhöhe), die Soundanlage könnte man auch drei Mal so laut aufdrehen, ohne dass alles verzerrt kling (richtig eingestellt natürlich), die Lichtanlage ist inzwischen auch top. Es gibt natürlich immer Vor- und Nachteile. Die Vorteile überwiegen hier aber eindeutig. Seitdem sich der Viper Room von den Bikern verabschiedet hat und Marcus als Security wieder zurück ist, könnte ich jetzt nichts Negatives über das Lokal sagen. Dazu kommt natürlich, dass ich dort fast alle kenne und das ein Heimspiel ist. Vielen Dank an dieser Stelle an das ganze Viper Room Team!

Als mittlerweile einziges regelmäßiges Event der Schwarzen Szene, wie bist du mit der Etablierung insgesamt zufrieden?

Es ist nach wie vor sehr schwierig, etwas in dieser Größe zu planen. Also - ich meine so zu planen, dass es auch funktioniert.
Im Schnitt waren bei den letzten Festln immer zwischen 160 und 190 Besucher. Das ist ca. die kritische aber gleichzeitig auch die notwendige Masse. Jetzt gar nicht, damit sich das finanziell ausgeht - the Ball ist zu 100% eine Non-Profit-Veranstaltung, sprich, wenn die DJs bezahlt sind, wandert jeder Euro in Flyer, Deko bzw. das nächste Konzert - sondern damit genau die richtige Stimmung entsteht.
Das heißt, 200 +/- ist genau richtig. Zu große Menschenansammlungen und Gedränge sind eh nicht so meins.

Wird es in Zukunft weitere Live-Acts geben? Was habt ihr in den nächsten Monaten vor?

Im Dezember spielen bei The Ball Clan of Xymox und für nächstes Jahr sind Joy/Disaster fix gebucht. Es gibt noch Pläne für drei bis vier weitere Konzerte, aber noch nicht fixiert … das hängt von zu vielen Faktoren ab. Erstens muss die Band zu the Ball passen, zweitens muss die Band leistbar sein, drittens wäre es gut, wenn sie passend zu den The Ball-Terminen auf Tour ist (auf jeden Fall an einem Freitag oder Samstag) … und es gibt noch zehn andere Dinge, die passen müssen.
Alle The Ball Konzerte machen wir zusammen mit Matt.C. Dadurch, dass er bis zu 20 Konzerte im Jahr organisiert, hat er hier einfach sehr viel Erfahrung und die richtigen Connections zu den Booking-Agenturen. Unpackbar, was manche Bands auf den Rider schreiben und welche Vorstellungen die haben. Wie auch immer … mehr dazu, wenn die nächste Band fix gebucht ist. Geplant ist jeweils entweder ein Solo-Act oder maximal eine Vorgruppe, damit the Ball spätestens um Mitternacht beginnen kann.

Wie siehst du die momentane Club- und Partysituation in Wien?

Mit den großen Festln, die so ein bis zwei Mal pro Jahr stattfinden, kann ich persönlich nach wie vor nicht viel anfangen. Ich glaub, die haben ganz einfach eine ganz andere Motivation als wir.
Keine Ahnung … und auch wenn man mir drei Mal erklärt, dass die ganze seelenlose deutsche Elektopopsch-Musik, die in bestimmten Lokalen gespielt wird, das ist, was man im Ausland heutzutage unter Gothic versteht … glaube ich nicht, Tim!
Und das wird glaube ich auch nie meins.

Die kleinen Festln besuche ich sehr gern. Natürlich nicht alle … es gibt ja inzwischen fast jede Woche immer mehrere Festln zum Fortgehen. Am liebsten sind mir die kleinen Parties von den ehemaligen Dancefloor Tragedy-Leuten, Scrag!, Mike (A Nurse Called Mike, Anm.) und Sirius & Darktunes.

Wir bedanken uns herzlichst und sehen uns beim nächsten Ball!